Wie ich an ihn geriet
Ich hatte ein ruhiges, stabiles Leben. War in meiner Heimat 20 Jahre bei demselben Arbeitgeber. Mit meinem Freund 20 Jahre zusammen. Festes Mitglied auch seiner kompletten Familie. Überall ein gewachsenes, stabiles soziales Netz.
Dann bekam ich immer wieder unerklärliche starke Schmerzen. Ich lief 3 Jahre von Arzt zu Arzt. Mit etlichen Fehldiagnosen. Die Schmerzen wurden immer schlimmer. Ich ging nur noch vollgepumpt mit Schmerzmitteln zur Arbeit. Alles was man fand, waren Myome. „Die machen aber keine Schmerzen“
Ich wechselte Ärzte wie andere die Unterhose. Bis ich den entscheidenden Tipp bekam: Wenn man nichts anderes findet, es gibt da einen Myom-Experten an der Charité Berlin. Gesagt, getan, operiert, Schmerzen weg.
Bevor es aber dazu kam, hatte ich einige Schicksalsschläge zu verkraften.
Meine Mutter starb. Danach mit Bruder zerstritten. Was noch schwerer für mich war, weil meine eigene wichtigste Familie damit weg war. Das muss man erst verarbeiten.
Unterstützung von meinem Freund hatte ich nicht. Er hatte selbst Probleme bei der Arbeit. Kam schreiend nach Hause. Anders als bei meinem zweiten ging das aber nie so direkt gegen mich.
Mir ging es trotzdem nicht gut. Zwar arbeitete ich normal weiter, aber ich magerte ab. Und war auch nicht mehr der helle Sonnenschein wie vorher für meinen Freund.
Er lernte dann bei der Arbeit eine junge Kollegin kennen, freudestrahlend, weil sie bald heiraten wollte. Das komplette Gegenteil von mir aktuell.
Er verliebte sich einseitig. Für mich kein Problem, in einer langen Partnerschaft kann das passieren, ist aber erst mal nichts anderes als ein Strohfeuer. Ich bin ohnehin nicht so der eifersüchtige und kontrollierende Mensch.
Problem wurde, dass er komisch wurde. Neues Parfüm, neues Selbstbewusstsein. Mich behandelte er schlecht. Und dann kamen Heimlichtuerei und Lügen.
Das hat dann gereicht, dass ich strauchelte. Gerade erst viele Angehörige verloren, keine Lösung für meine Schmerzen in Sicht - und jetzt auch noch das. Ich bekam auch Verlustängste. Jetzt noch ihn und seine ganze Familie obendrauf zu verlieren, es entwickelte sich langsam zum Albtraum, der nicht enden will.
Ich bekam schlimmste Schlafstörungen. Lange Zeit nur 1 bis 2 Stunden. Ich konnte nicht mehr zur Arbeit, musste mich krankschreiben lassen. Am Wochenende dachte ich mir, es wird nicht besser, kann mich nächste Woche ja nicht wieder krankschreiben lassen. Es muss was passieren. Fuhr in die Klinik und wollte Medikamente zum Schlafen. Da ich durch den Schlafentzug tatsächlich leicht neben mir stand, überredeten sie mich da zu bleiben.
Wer wissen will, wie man längerem extremen Schlafentzug auf andere wirken kann, liest hier: https://www.quarks.de/gesundheit/schlafentzug/
Das wurde wahrgenommen, aber falsch interpretiert. Gespräche oder eine echte Überprüfung der Diagnose, mit Fragebögen oder Gesprächen gab es nie. Es war nicht mehr als „spontan mal aus dem Fenster gucken“ für eine Diagnose, mit unfassbaren Unterstellungen, z.B.nur als ich den Faden verlor, müsste ich wohl Stimmen hören.
Es wurde noch schlimmer. Ich bekam seltsame Medikamente. Ausgerechnet NICHTS zum Schlafen, was ja mein Problem war. Es ging erst bergauf, als ich einmal die Medikamente vergaß. Und merke, ich bin ganz anderer Mensch, ich kann wieder denken. Dann habe ich wirklich wie fast im Horrorfilm meine Flucht geplant. Ich hab so getan, als wenn ich das Zeug nehme und auf Entlassung hingearbeitet. Und geschafft. Mir ging es noch schlechter danach, muss man auch erst mal verkraften, was einem im Leben so alles passieren kann.
Ich bekam dann aber endlich ein nicht süchtig machendes Medikament zum Schlafen vom Hausarzt. Und ging wieder normal arbeiten. Nach 3 Wochen in meinem gewohnten Arbeitsumfeld und mit den gewohnten Menschen gingen die Schlafprobleme zurück, ich konnte weitestgehend darauf verzichten, nur noch mal tageweise eingenommen.
Mit der Kollegin löste sich in Luft auf. Und ich wurde operiert. Inzwischen hatte ich aber starkes Untergewicht. Und kriegte die Kilos allein nicht mehr drauf. Also beantragte ich Reha.
Dauerte ein Jahr. Abgelehnt. Widerspruch. Gutachter. Der mich aber dann sofort hinschickte, als er mich sah.
Als ich zur Reha ging, ging es mir schon besser. Ich hatte schon 2 Kilo zugelegt.
Eigentlich viel zu spät. Die Reha war aber super. Ich hatte eine erstklassige Psychologin. Mit der ich das erste Mal verstanden habe, wie alles zusammenhängt. Auch familiäre Probleme aus der Kindheit wurden aufgearbeitet. Kurzabriss, damit mir nix Komisches unterstellt wird: Meine Eltern haben alles selbst erarbeitet. Kein Luxus mit Erbe oder sonstwie außer eigene Hände Arbeit. Haus gebaut. In der Phase war es oft so, dass jede freie Minute und auch Urlaub weiter gearbeitet wurde am Haus. Neben Vollzeit-Job beider natürlich. Dann Schicksalsschlag. Meine Mutter mähte den Rasen. Rasenmäher waren damals nicht so sicher wie heute. Sie leerte den Auffangkorb. Es blieb Rest Rasenschnitt drin, sie griff nach, um es herauszuholen. Klinge schwang aber nach trotz ausgeschaltetem Rasenmäher. 3 Finger weg, kleiner Finger konnte gerettet werden, blieb aber steif. Ich stand als Kind vielleicht 10 Meter entfernt und spielte da. Ich habe eine typische PTBS dadurch. Ich habe Bilder. Aber sämtliches Blut ist da ausradiert. Trotzdem in meinem Kopf gespeichert, obwohl ich es nicht sehen kann. Hatte es jahrzehntelang, dass ich mich bei Kleksen auf dem Boden welcher Art immer, erschreckt habe, Puls hoch. Das sind die Blutstropfen im Gartenhaus, in das sie lief, um die Blutung erstmal mit Zewa zu stoppen. Ist alles komisches Wissen, das ich hab, zu dem die Bilder aber ausradiert sind. Die Bilder sind aber in meinem Kopf gespeichert. Ich kann sie nur nicht direkt abrufen. Hört sich skurril an, ist aber alles typisch PTBS. Damit bin ich trotzdem gut klar gekommen. Schlimmer war, dass meine Mutter psychisch am Boden lag und keine Hilfe bekam.
Meine Psychologin in der Reha hat mich auch quer in alle Veranstaltungen gesteckt, die eigentlich nicht direkt zu meinem Problem passen, aber mir helfen könnten.
Ich war täglich von früh bis 19/20 Uhr in Gruppen. Ich habe auch alles mitgenommen und aufgesogen, was möglich war. Eine Reha ist schwer zu bekommen und womöglich eine einmalige Chance.
Da tauchte er auf. Baggerte mich an und verfolgte mich geradezu 3 Wochen lang. Ich flüchtete. Irgendwann schaffte er es, mit ihm mal was zu unternehmen. Und baggerte weiter. Zu meinem aktuellen Freund war schon ein Knick da. Nicht wegen der Kollegin. Sondern wegen seiner Lügen. Die ich auch ansprach, um es aus der Welt zu räumen, er sich aber verweigerte. Ich war offener für Alternativen zu ihm.
Und so kamen wir uns erst mal näher.
Das Baggern und auf Händen tragen hielt an. Ich war eher auf Abstand, vielleicht hat ihn das noch mehr gereizt.
Das ist hier alles sehr kurz dargestellt. Nach der Reha habe ich z.B. den Kontakt komplett abgebrochen. Mir wurde aber schon bewusst, dass mir mit meinem Freund etwas fehlt. Um das für mich einzusortieren, hab ich ihn angeschrieben, wir trafen uns an neutralem Ort, worauf ich bestand. Wir fuhren vom Treffpunkt mit seinem Auto an einen See und gingen spazieren. Ich vergaß meinen Pullover im Auto. Ich hatte Bluse plus Pullover an und es war sehr warm. Das war der eigentliche Einstieg, dass mein Pullover jetzt bei ihm war. Und da griff er auch rein. Erst so kam dann ein weiteres Treffen.
Ich erinnere mich, dass ich ihn am Anfang irgendwie „komisch im Sozialverhalten“ fand. Mein Bauchgefühl sollte recht behalten.